Grundlagen der Verkabelung

Viele Theater und Veranstaltungsstätten rüsten ihre vorhandene Signalwege auf Ethernet um, und die meisten  Neuplanungen basieren auf diesem Modell. Und damit die Umrüstung oder Planung auch auf den richtigen „Füßen“ steht, haben wir die Grundlagen hier zusammengefasst.

Hinweis: Alle in diesem Text gemachten Angaben beziehen sich in erster Linie auf die Netzwerkverkabelung in der Computertechnik. Einige der dort aufgeführten Bestimmungen und Bezeichnungen sind in der Veranstaltungstechnik sicherlich nicht 1:1 zu übernehmen.

Zuerst: Neuverkabelung mit Twisted-Pair-Leitungen

Der erste und meist als teuerste empfundene Schritt auf diesem Weg ist die Neuverkabelung mit Twisted-Pair-Leitungen. Wenn sich allerdings jemand die Mühe macht, das richtig durchzurechnen, dann kommt er sehr schnell zu dem Ergebnis, dass dem nicht so ist. Eher im Gegenteil. Also ran an die Verkabelung.

Danach können weitere Maßnahmen ergriffen werden. Die klassische Maßnahme, das Bridging, wurde in Koax-Netzen häufig eingesetzt und lebt heute in den sogenannten Switches weiter. Das Aufteilen eines Netzes in mehrere Teilnetze, auch Collision Domains genannt, lässt nicht mehr jedes Datenpaket zu jeder Station gelangen; so können viele Transaktionen gleichzeitig stattfinden, wie Collision Domains im Netz vorhanden sind – im Extremfall (Switch) ist jeder Hub-Anschluss einer eigenen Collision Domain zugeordnet. An die Switch-Anschlüsse können in der Regel wiederum gewöhnliche Repeating Hubs angeschlossen werden; so kann Switching nach und nach im Netz eingeführt werden, um die Collision Domains immer weiter zu verkleinern – bis im Idealfall jedem Rechner (Node) ein privates Segment zur Verfügung steht.

Der Einsatz von Koax-Kabeln ist in der Veranstaltungstechnik allerdings nicht zu empfehlen!

Switches

Switches sind heute nicht teurer als Hubs, daher spricht alles für eine Strukturierung des Netzes mit Switches. In einem Peer-to-Peer-Netz (z. B. Unix oder auch Windows ab 95) ohne zentrale Server genügt meistens ein reiner 10BaseT-Switch. Gibt es einige, wenige Server, so kann der Server über mehrere Ethernet-Segmente parallel mit dem Switch verbunden werden, so dass der Datenverkehr zwischen Server und Netz gebündelt wird. Es gibt auch Switches mit einem oder mehreren 100-MBit-Anschlüssen. Diese können an den oder die Server angeschlossen werden, um alle Anwender im Netz deutlich schneller mit Daten zu versorgen – ohne dass deren LAN-Adapter auch nur berührt werden müssten. Die meisten derzeit in der Veranstaltungstechnik benutzen Systeme verwenden allerdings keine oder kaum Server und sind damit eigentlich den Peer-to-Peer-Netzwerken zuzurechnen.

Standard: Twisted-Pair-Kabel

Da Twisted-Pair-Kabel heutzutage Standard sind, sollte man auf jeden Fall bei der Neuverkabelung gleich Cat-5-Kabel oder bessere verwenden, um für die Datenrate von 100 MHz gerüstet zu sein. Leider ist der verwendete RJ45-Stecker relativ filigran. Neben der Zerbrechlichkeit der Stecker kommt es bei Hochgeschwindigkeitsnetzen zu Problemen: Die Drähte und Kontakte werden über eine kleine Strecke parallel geführt, wodurch die Wirkung der Twisted-Pair-Kabel aufgehoben wird. Ein weiterer Kritikpunkt an der RJ45-Technik ist die Einheitlichkeit der Enddosen. Der Anwender am Arbeitsplatz kann nicht erkennen, welchem Dienst die Dose aktuell zugeordnet ist (Netz, analogens Telefon, ISDN, Lichtzeichen, DMX, etc.). Selbst Farbkennzeichnung oder Beschriftung hindert viele Leute nicht daran, „es mal an der anderen Dose zu versuchen“. Und da kann die Rufspannung analoger Telefone oder das DMX schon einmal einen Netzwerkadapter „killen“.

10 Mbit/s (IEEE 802.3) & 100 MBit/s (IEEE 802.3u)

10 Mbit/s (IEEE 802.3) und 100 MBit/s (IEEE 802.3u) verwenden eine Halbduplex-Übertragung über 2 Adernpaare. Bei einer Migration von 10 auf 100 MBit/s bleibt zumindest die Infrastruktur des Kabelnetzes bestehen. Demgegenüber setzt Gigabit-Ethernet (IEEE 802.3ab) auf eine Vollduplex-Übertragung über alle 4 Paare. Zwar ermöglicht diese Technik die Verwendung der eigentlich nur bis 100 MHz spezifizierten CAT-5-Kabel, dazu müssen die Komponenten allerdings anders beschaltet werden.

Strukturen der Gebäudeverkabelung

Früher war eine „Bedarfsverkabelung“ üblich. Die Netztechnik bestimmte die Art der Verkabelung (Ethernet: busförmige Koaxverkabelung, FDDI: ringförmig mit Lichtwellenleitern). Die Standorte der Rechner und Terminals bestimmte die Netzausdehnung.

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Heute gilt ganz klar die Prämisse: strukturierte Verkabelung.

Die Netztechnik hat sich an eine genormte Verkabelung anzupassen. Jeder Arbeitsplatz bzw. jede Station bekommt automatisch mindestens eine Datennetzdose. Das bringt anfangs zwar höhere Investitionskosten, ist aber zukunftssicher. Fehler wirken sich nur lokal aus, denn jeder Anschluss hat sein eigenes Kabel.

Basis der heutigen Gebäudeverkabelung von Netzen sind die in den letzten Jahren erarbeiteten Normen auf diesem Gebiet. Dabei gibt es im wesentlichen drei grundlegende Normen, die für bestimmte geographische Regionen von Bedeutung sind:

  • EN 50173 (1995): Informationstechnik: Anwendungsneutrale Verkabelungssysteme
  • ISO/IEC 11801 (1995): Generic cabling for customer premises
  • EIA/TIA 568 A/B (1994): Commercial building telecommunications cabling standard

EN 50173 und ISO/IEC 11801

Die EN 50173 und die ISO/IEC 11801 haben im wesentlichen den gleichen Inhalt und enthalten auch die gleichen Anforderungen an Kabel und Komponenten. Die EN 50173 ist eine europäische Norm, während die ISO/IEC 11801 weltweit verwendet wird. Die EIA/TIA-568 A/B wurde speziell für den nordamerikanischen Markt von der dortigen Telekommunikationsindustrie entwickelt. Sie ist eigentliche keine Norm, sondern lediglich eine Industrie-Spezifikation. Sie enthält auch geringere Anforderungen bezüglich der Übertragungseigenschaften der Kabel als die anderen Bestimmungen. In der EN 50173 wird ebenso wie in der ISO/IEC 11801 die Gebäudeverkabelung in 4 Bereiche eingeteilt:

  • den Primär- oder Campusbereich für die Verbindung der Gebäude eines Standortes untereinander,
  • den Sekundär- oder Steigbereich für die Verbindung der einzelnen Etagen eines Gebäudes,
  • den Tertiär- oder Horizontalbereich für die Verbindung der Anschlusseinheiten wie die Wanddose mit dem Etagenverteiler und
  • den Arbeitsplatzbereich für den Anschluss der Endgeräte an die Anschlusseinheiten.

In allen 3 Bereichen der Inhouse-Verkabelung (oft auch Ebenen genannt) können sowohl Verkabelungen mit symmetrischen Kupferkabel (Twisted Pair) und -komponenten als auch mit Lichtwellenleiterkabel und -komponenten verwendet werden.

Im Campusbereich werden ausschließlich LWL-Kabel und -Komponenten verwendet, also wenn mehrere Spielstätten oder Studios miteinander verbunden werden sollen.

Campusverkabelung und Steigbereich

Auf Grund der größeren Übertragungsstrecken und dem steigenden Datenaufkommen hat sich sowohl für den Campus- als auch für den Steigbereich die Lichtwellenleiterverkabelung durchgesetzt.
Im Außenbereich werden LWL-Außenkabel mit Multimodefasern verwendet. Sollten Kabellängen von größer 2000 Metern notwendig sein oder extrem hohe Datenraten anfallen, können ebenso Kabel mit Singlemodefasern verwendet werden. Die Faseranzahl sollte in jedem Fall so bemessen sein, dass zukünftiges Wachstum der Netzanforderungen erfüllt werden kann. Als Faustregel sollte man 50% Reserve zum derzeitigen Bedarf addieren. Werden also derzeit acht Fasern benötigt, sollte ein Kabel mit zwölf Fasern verwendet werden.

Im Steigbereich werden meist LWL-Innenkabel, ebenfalls mit Multimodefasern, eingesetzt. Dabei empfiehlt die EN 50173 die Verwendung von 62,5-Mikrometer-Multimodefasern. Multimodefasern mit 50 Mikrometern sind aber ebenfalls zugelassen. Sind die Entfernungen klein (< 100 m) und die zu erwartenden Datenraten pro Teilnehmer gering (< 10 Mb/s), so kann im Steigbereich auch eine Verkabelung mit symmetrischen Kupferkabeln vorkommen. Dabei sollte aber ein qualitativ hochwertiges System eingesetzt werden, da ein Ausfall oder eine Überlastung in diesem Bereich schwerwiegende Konsequenzen für das ganze Netz hat, und nichts ist peinlicher und kostentreibender als wenn irgendwann mal die Bühne oder das Studio dunkel wird. Deshalb sollte an dieser Stelle nicht am falschen Ende gespart werden.

Horizontalverkabelung und Arbeitsplatzbereich

Im Horizontalbereich und für die Stationsverkabelung werden zumeist hochwertige, geschirmte symmetrische Kupferkabel und -komponenten eingesetzt, da hier der Anschluss an viele einzelne Schnittstellen vorgenommen wird.

Wird auch im Horizontal- und Stationsbereich mit Lichtwellenleitern (LWL) verkabelt, stehen damit höhere Bandbreiten zur Verfügung und es lassen sich längere Strecken realisieren. LWL-Verkabelung kann auch dann sinnvoll sein, wenn man einfach die EMV-Immunität und die Übertragungssicherheit ausnutzen will. Die Einführung von „Fiber-to-the-desk“, der LWL-Verkabelung bis zuStation, ist wohl nicht so bald im Veranstaltungsbereich Realität. Es ist auch möglich, beispielsweise den Steig- und den Horizontalbereich durchgehend mit LWL zu verkabeln, um damit Etagenverteiler einzusparen. Man spricht dann von einer zentralisierten Verkabelung.

Allerdings müssen dann für jede Station entsprechende Signalumsetzer vorhanden sein und wenn die Verkabelung auch für DMX-Daten und Ton- und Videodaten genutzt werden soll, sind die Folgekosten dabei sehr hoch. Dazu kommt, das eine weitere Ausfallmöglichkeit bei zusätzlichen Geräten im Signalweg besteht.

Netzstrukturen

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Die heutige Verkabelung wird im allgemeinen hierarchisch als ein physikalischer Stern aufgebaut. Der Standortverteiler (auch Hauptverteiler genannt) als zentrale Schaltstelle ist mit den Gebäudeverteilern in den einzelnen Gebäuden sternförmig verkabelt. In den Gebäuden werden die Etagenverteiler ebenfalls sternförmig mit dem Gebäudeverteiler verkabelt. In der Horizontalebene schließlich findet eine ebenfalls sternförmige Verkabelung der Anschlusseinheiten wie der Wanddose mit dem Etagenverteiler statt.

Als Verteiler zum Abschluss der Kabel werden Schränke und Gestelle in 19″-Technik eingesetzt. 19″-Einschübe übernehmen in diesen Schränken die Kabelbefestigung, die Speicherung einer Reservelänge, die Unterbringung von Spleißkassetten (falls verwendet) und das Montieren der Stecker und Kupplungen bzw. Buchsen auf den Verteilerfeldern. Werden nur kleinere Faserzahlen benötigt, so können statt der 19″-Schränke die kompakteren Wandverteiler eingesetzt werden.

Im Tertiärbereich werden zum Kabelabschluss Wand- und Bodentankdosen verwendet. Diese Anschlusseinheiten übernehmen hier die Kabelbefestigung, die Speicherung der Reservelänge und das Montieren der Buchsen bzw. Stecker und Kupplungen. Sie bilden den Abschluss der dienstunabhängigen Verkabelung.

Das Endgerät (das Stellwerk, Der Umsetzer auf DMX, eventuell ein externer Drucker, das Telefon, das Lichtzeichen, etc.) wird mit konfektionierten Kabeln und den entsprechenden Adaptern (RJ45 auf XLR 5pol. DMX) an die Wanddose oder den Bodentank angeschlossen. Die Verteilung der Switch- oder Routerports auf die Endgerätedosen erfolgt über ein Patchfeld. Es handelt sich dabei im Prinzip um ein Feld mit Netzwerk-Steckdosen (z. B. RJ-45-Dosen)in 19″-Technik (Patchbay), an welche die Kabel zu den Anschlussdosen in den einzelnen Räumen angeschlossen sind. Die Verbindung zu den aktiven Komponenten erfolgt dann über kurze Patchkabel.

Patchfeld

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Die logische Netzstruktur der Verkabelung hängt davon ab, wie die einzelnen Netzwerkknoten miteinander kommunizieren. Darunter sind die Protokolle, Zugriffsverfahren und Konventionen auf der elektronischen Ebene zu verstehen. Die heute am weitest verbreiteten Standards für solche logischen Netzstrukturen sind:

  • ISDN nach DIN EN 50098 für bis zu 2 Mbit/s in einer sternförmigen Verkabelung
  • Ethernet nach IEEE 802.3 für 10 und 100 MHz Übertragungsbandbreite als logischer Bus
  • Token Ring nach IEEE 802.5 für 4 und 16 Mbit/s als logischer Ring
  • FDDI bzw. TPDDI (PMD) nach ANSI X3T12 für bis zu 100 Mb/s als logischer (Doppel-) Ring
  • ATM definiert im ATM-Forum für bis zu 622 Mbit/s

Für die Umsetzung von der logischen in die physikalische Netzstruktur haben sich Netzwerkkonzentratoren etabliert. Hier werden alle wichtigen Netzwerkaktivitäten zusammengefasst, was auch die Verkabelung und die Fehlersuche wesentlich erleichtert. Dadurch ist es möglich, beispielsweise das Ethernet 10/100BaseT-Verfahren als logisches Bussystem in einer sternförmigen Verkabelung zu realisieren.


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